COMPROVISATION
Poised between composition and improvisation, an aesthetic ecosystem of subtle relationships, dramatic balances, and constant surprise comprises the work of Jessica Buhlmann.
More than mere representation of nature, Buhlmann’s 3D installation work, a continuation of her 2D drawings and paintings, replicates the processes of natural systems in the studio. Nature is her co-conspirator: the artist collaborates with randomness, accidents, contingencies on multiple levels, guided by an intuitive yet deeply considered sensitivity.
Found objects from culture, the detritus of urbanity, such as sections of pieced of furniture or industrial materials, are given equal importance as found forms from nature, such as roots or flowers, and together forms inter-dependant visual affinity in Buhlmann’s sculptures. But more than that, the artists’ own aesthetic subjectivity also expresses itself as kind of “found object”, shaped by socio-historical contingencies, and connects to other found forms in an idiosyncratic, unpredictable, and radically democratic manner.
A fragile rapport exists in the unlikely co-constructions which reveal unforeseen tensions and harmonies, between “man-made” and “natural”, between planning and spontaneity, between strategy and playfulness, between movement and stasis, in which the total becomes more than sum of the parts in unexpected ways –– Buhlmann’s work invites the viewer to discover the world, its hidden geometries and inner dialectical logic, in fresh and timeless ways.
He Zhao, October 2020
WAVES, HINTS, OFFSET
(...) Buhlmann entstammt einer Künstlerfamilie, in der Musik und visuelle Gestaltung allgegenwärtig waren, sie wuchs inmitten eines Keramikateliers auf. Zentrale Einsichten aus der engen Verschränkung von Handwerk und Konzeption wie die, dass die plastische Form nicht bloss in einem Raum platziert, sondern schon in der Produktion in den Raum hinein gemischt, geknetet, modelliert wird, dass Farbe nicht einfach Oberfläche dekoriert, sondern die Seele des Gebildes zur Erscheinung kommen lassen kann, wurzeln in dieser frühen Begegnung mit dem Skulpturalen. Wenn Buhlmann nun objets trouvés mit ausgetüftelten flachen Farbkörpern zusammenbringt, greift sie vorerst auf hartes, sprödes Holz statt auf plastischen Ton oder biegsames Metall zurück und setzt damit bewusst auf die Widerständigkeit des Materials. Im Gespräch formuliert sie: “Ich weiss zu Beginn der Arbeit nicht, wie es aussehen wird – und ich will es auch nicht wissen.“ Diese Radikalität, die im ersten Moment befremdlich klingen mag, hat Henri Matisse mit Bezug auf seine eigene Suche nach der richtigen Form darauf zurückgeführt, dass der Künstler seine Sprache nicht aus dem überkommenen Vokabular entnehmen könne, ohne bloss tote Kopien zu produzieren: „ich muss Zeichen finden, Zeichen, die meine Träumerei nicht stören“. Buhlmann führt ihre Erkundungen im dichten Material durch und führt die Betrachterin/den Betrachter zugleich ins Freie: ihre Arbeiten wirken wie ein frischer Strauss, ein Bouquet von Formen, Sichten und Durchblicken, wie wir ihnen alle alltäglich begegnen, ohne aber meistens aufzumerken – es ist die Künstlerin, die sie in die Sichtbarkeit hebt. Aus dem blossen Zufall arrangiert sie eine Begegnung, etwas was dort und da existiert, fügt sich wie notwendig zusammen. Ihre cut outs bringen mit schwarzweissen Formen die Düfte der Farben ins Spiel, machen die undurchdringliche Bürde einer Transparenz geltend oder lassen mit zarten Farboberflächen umgekehrt das Filigrane am Kompakten erkennbar werden.
Peter Kohlhaas, Ausstellungstext, September 2018
LEBENDE FORMEN
Jessica Buhlmann sucht nicht das laute Spektakel, sondern betreibt in ihrer Malerei subtile Forschungsarbeit . Wie oft wurde schon das Ende der Malerei ausgerufen, als seien längst alle Farben und Formen auf der Leinwand erprobt und erforscht. Jessica Buhlmann schert das nicht. Sie weiß, dass die Suche nach der perfekten Komposition ein endloses Unterfangen ist, dass man die Gewichte auf der Leinwand stimmig austarieren kann und doch nie einen Schlusspunkt erreicht. Buhlmann hat Malerei studiert, einen Pinsel aber nimmt sie nie zur Hand. Sie entwickelt auf ihren Bildern mit Klebeband erste Strukturen, dann presst sie die Ölfarbe direkt aus der Tube auf die Leinwand und arbeitet mit dem Spachtel – »damit die Farbe einen Körper hat«, wie sie sagt. Wenn Buhlmann die Streifen dann wieder abreißt, entstehen harte Kanten, die sich plastisch aufbäumen wie Reliefs. Das Ergebnis ist bewusst vordergründig. Denn die Künstlerin will nicht demonstrieren, wie die Malerei virtuos Räume öffnen kann. Sie entwickelt besonnene Kompositionen, die das Zusammenspiel der Elemente erforschen. Die Anzahl ihrer Farben ist überschaubar, die Farbtöne sind blass. Begrenzt von den Bildrändern wird hier etwas gepresst, dort etwas zärtlich umfasst. Manche Formen wirken verloren, andere scheinen sich im unbeschwerten Miteinander zu ver- gnügen. Mal bohrt sich ein Stock ins Blau, dann wieder dringt eine Spitze in ein müdes Dreieck vor. Auch Formen können beredt sein, leben, leiden, lieben. In dieser Spielart abstrakter Kunst geht es nicht um Assoziationen und den Anklang gegenständlicher Motive. Je mehr Buhlmann sich von realen Referenzen entfernt, desto mehr benötige sie eigene Regeln, »um sich festhalten zu können«, wie sie sagt. Während des Malprozesses, der aber auch von der Intuition geleitet wird, formuliert sie immer wieder solche Regeln, die sie dann doch bricht, sodass sie sich auf den Bildern nicht mehr zurückverfolgen lassen. So entsteht ein freies Formenspiel, voller Spannung und geheimnisvoller Bezüge. Malerei als sorgfältige Forschungsarbeit, bescheiden, konzentriert und schön.
Adrienne Braun: Lebende Formen, In: ART (Starter),
August 2016, Gruner + Jahr GmbH & Co KG 2016, S. 110/111
Inscape
(...) Jessica Buhlmann shows glass paintings and canvases. The shape fragments of more or less closed color surfaces are the innovating forces in her paintings. Before our eyes a complex coexistence of spreading surfaces and interjections presents itself, with transitions as fluid as “a trip within the trip”. In an epigrammatic way the artist defends autonomy and objectivity in line with her identity as a painter. She does it in a way that surprises through formal reflexiveness and a striking stability.
These images have an inner life that seems to have been found rather than created and seems protected on a stretcher frame, preserved in oil on glass, on wood, precious, unique, but in tune with its surroundings. A warm abandon seems to emanate from them, something harmonious but that doesn’t try to produce a melody as a result. It is a sound of bright, multicellular moments in a gently streaming atmosphere. Freedom, spontaneity and improvisation set the mood.
The six glass paintings by Jessica Buhlmann have poetic titles such as ‘Shift’, ‘Stream’, ‘Alloy’, ‘Rain” or ‘Ascension’. The titles she distilled from her canvases are equally powerful and trailblazing. See for yourself. (...)